Sabotage im Maschinenraum der öffentlichen Meinung – ein Appell

Botticelli, “Die Verleumdung des Apelles” (ganz links: die nackte Wahrheit)

Lange Zeit hatten wir Hoffnung auf eine Wende und den Willen zur Wahrheit. Doch bei nüchternem Blick auf die etablierten Medien erscheinen diese kaum noch reformierbar. Peter Sloterdijk fasst das Handwerk heutiger Leitmedien-Journalisten in knappe Worte: „Die angestellten Meinungsäußerer werden für Sich-Gehen-Lassen bezahlt, und sie nehmen den Job an“ (siehe auch den lesenswerten Insiderbericht eines Schweizer Top-Journalisten auf swprs.org).

Nach 15 Jahren Arbeit für Radio, Magazine und Zeitungen wie die NZZ fordert Milosz Matuschek  nun auf, Journalismus ganz neu zu denken. Er wolle nicht einen besseren Journalismus, sondern eine Alternative zum Journalismus – eine „Wahrheitsmaschine“:

„Mir persönlich war der Journalismus als Ganzes nie peinlicher als jetzt. Selten war kritischer Journalismus notwendiger. Und selten hat eine Branche so ein Totalversagen hingelegt wie jetzt. Eine kritische Aufarbeitung des Corona-Desasters findet im Mainstream nicht statt. Der Prozess der Wahrheitsfindung wurde komplett lahm gelegt. Das ist nicht mehr nur Pfusch im Maschinenraum der Öffentlichen Meinung. Das ist Sabotage. Und die Verantwortlichen wissen das. Die Talkshows, um nur ein Beispiel zu nennen, wirken wie endlose Wiederholungen ihrer selbst, mit den immer gleichen Protagonisten. Man spielt das Spiel Amtskirche vs. Häretiker – allerdings ohne die Häretiker.
(…)

Ich denke es ist längst überfällig, an einem gänzlich neuen Modell des Journalismus zu bauen. Die technologischen Mittel sind da, an der Umsetzung fehlt es noch. Das Kernproblem des Journalismus von heute ist, dass er den Prozess der Wahrheitsfindung nicht ermöglicht. Er fungiert als Gatekeeper von Information und produziert – Platons Höhlengleichnis lässt grüßen – flackernde Schatten an der Wand, statt interesselose Realitätserforschung zu betreiben. Es ist ein bisschen wie Wrestling im Fernsehen: Viel Show, viel Tamtam, aber am Ende steht der Gewinner immer schon vorab fest. Unterhaltsam, aber im Kern eben Fake.

Es braucht deshalb meines Erachtens nicht nur mehr freie und unabhängige Portale, deren Kapital das Vertrauen der Leser ist. Es braucht auch eine gänzlich neue unzensierbare technologische Infrastruktur für diese Portale (egal ob Webseiten, Podcasts, Videokanäle), die den Prozess der Wahrheitsfindung sichert und Anreize dafür schafft, dass die beste Information es zum Leser schafft. Wahrheitsfindung sollte nicht in erster Linie Sache von Medienunternehmen mit politischen Haltungen und wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber Werbekunden sein oder von zwangsgebührenfinanzierten Regierungskanälen; sie sollte als öffentliches Gut durch die Partizipation der Öffentlichkeit auf allen Stufen des Prozesses ermöglicht und gesichert werden. Jede Information von öffentlichem Interesse muss zugänglich, überprüfbar und unzensierbar sein.

Der Buchdruck und die Entstehung des Internets haben das freie Wort schon mal aus der Umklammerung der Mächtigen befreit. Aber jeder dieser Siege ist immer nur ein vorläufiger gewesen. Nun ist es Zeit für einen neuen Evolutionssprung. An ersten Ideen in diese Richtung arbeite ich bereits und stelle gerne in den nächsten Wochen einmal die Ergebnisse dieses Prozesses hier zur Diskussion. Die Frage, die mich leitet ist dabei folgende: Was wäre der beste Weg, um den Prozess der Wahrheitsfindung technologisch gestützt mustergültig abzubilden? Ich will nicht nur einen besseren Journalismus. Ich will eine Alternative zum Journalismus. Ich will eine Wahrheitsmaschine.“

>> zum Artikel: https://miloszmatuschek.substack.com/p/maschinenraum

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Interview mit Dieter Nuhr: Wie man durch einen Shitstorm manövriert

Der Kabarettist Dieter Nuhr im Interview bei Phoenix: Warum unbequeme Denker heute nicht mehr mit Argumenten, sondern mit bloßen Attributen und Etiketten bekämpft werden.

Nuhr: “Der Shitstorm ist die humane Schwester des Pogroms. Es ist heute derselbe Mechanismus: Menschen rotten sich zusammen, um  jemanden zu lynchen – nur nicht mit der Mistgabel, sondern mit der Tatstatur, und setzen an zur sozialen Vernichtung.“

Im Interview spricht Dieter Nuhr auch über die Süddeutsche Zeitung, die sich nicht mehr objektivem Journalismus verpflichtet fühle, sondern versuche, virulente „Wutströmungen aufzunehmen und damit ihre sinkende Auflage zu stabilisieren“ – was Nuhr allerdings für nichts weniger halte als den Untergang des Journalismus. Als jemand, der sich nach eigenem Bekunden dem herrschenden Zeitgeist widersetzt und daher von der Süddeutschen mit einem diffamierenden Artikel ins Visier genommen wurde, kann Dieter Nuhr belegen, dass die SZ über seine Person nicht einmal richtig recherchiert hatte, sondern dass „ideologische Vernichtung das Ziel des Artikels war“.

Nach Ansicht von Nuhr dürfe man mediale Diffamierungskampagnen und Shitstorms nicht bloß über sich ergehen lassen, da einen die hierbei aufgeprägten Etiketten ansonsten quasi aus der zivilisierten Gesellschaft ausschlössen.

Die Tendenz, dass Wahrheiten nicht mehr ausgesprochen werden dürfen und Debatten unterdrückt werden, beobachte er mit großer Sorge. Das Wegfallen bisheriger Tabus halte er für einen dramatischen Zivilisationsverlust. Diesem gelte es entschieden entgegenzutreten.